Von Frank Hartung auf Samstag, 02. Mai 2020
Kategorie: Aktuelle Nachrichten zum Diesel-Abgas-Skandal

Europäischer Gerichtshof - Abschalteinrichtungen in Dieselautos grundsätzlich unzulässig!

Der Europäische Gerichtshof befasst sich aktuell in 9 Verfahren mit dem Diesel-Abgas-Skandal. Von 6 Gerichten aus Deutschland (u.a. Landgericht Stuttgart), 2 Gerichten aus Österreich und einem Gericht aus Frankreich wurde der Europäische Gerichtshof zur Beantwortung rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Einbau von Abschalteinrichtungen angerufen.

Diese Verfahren sollen insbesondere darüber entscheiden, ob das Software-Update von Volkswagen rechtskonform ist, wo die Volkswagen AG verklagt werden kann, ob die Abgasreinigung in einem engen Temperaturfenster (sog. „Thermofenster“ von Porsche) gesetzeskonform ist oder unter welchen Bedingungen eine regulierte Abgasreinigung zulässig ist.

Die EuGH-Generalanwältin Sharpston stellte nunmehr am 30. April 2020 in ihrem ersten Schlussantrag zu einem dieser Verfahren fest, dass Abschalteinrichtungen in Dieselautos grundsätzlich unzulässig sind.

In diesem Verfahren, von einem französischen Gericht eingeleitet, muss der EuGH klären, ob der Motortyp EA 189 der Volkswagen AG eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und unter welchen Bedingungen eine regulierte Abgasreinigung zulässig ist.

In ihrem Gutachten kommt die Generalanwältin zum Ergebnis, dass Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen grundsätzlich verboten und nur in engen Ausnahmefällen gerechtfertigt sind. Der Schutz des Motors vor Verschleiß oder Verschmutzung reiche als Rechtfertigung für solche Abschalteinrichtungen nicht aus. Solche Techniken bei der Abgasreinigung könnten ausnahmsweise nur genehmigt werden, wenn „die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“, so die Generalanwältin. Häufigerer Wartungsarbeiten und höhere Kosten aufgrund Verschlechterung der Motorleistung oder schnellerer Verschmutzung des Motors rechtfertigen nicht solche Ausnahmen.

Weiter kommt die Generalanwältin nach ihrer Prüfung der Bestimmungen der einschlägigen EG-Verordnung Nr. 715/2007 im Lichte der Ziele des Umweltschutzes und der Verbesserung der Luftqualität innerhalb der Europäischen Union zu dem Ergebnis, dass der Begriff „Emissionskontrollsystem“ sowohl die Technologien, die Strategien und die mechanischen oder informationstechnologischen Bestandteile umfasst, die - wie das AGR-System - in der Lage sind, die Emissionen (darunter NOx) im Vorhinein zu verringern, als auch jene, mit denen sie im Nachhinein, nach ihrem Entstehen, behandelt und reduziert werden können.

Das Gutachten der Generalanwältin ist eine Art rechtliche Empfehlung für die Richter des Europäischen Gerichtshofs. Zwar sind die Richter nicht an die Gutachten der Generalanwälte gebunden. Oftmals folgen die Richter aber diesen Gutachten.

Für laufende Gerichtsverfahren sowie für die erfolgreiche Durchsetzung künftiger Schadensersatzansprüche von betroffenen PKW-Eigentümern hat die Entscheidung des EuGH sehr große Bedeutung.

Folgen die Europäischen Richter dem Gutachten der Generalanwältin, so werden nicht nur Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG wegen des Motor Typ EA 189 bestätigt.

Sondern auch für Eigentümer von VW-PKW mit anderen Motorentypen und von PKW anderer Hersteller sind dann Schadensersatzansprüche sicher. Dies betrifft vor allem solche PKW, in denen sogenannte „Thermofenster“ verbaut sind.

Denn aus dem Gutachten der Generalanwältin ergibt sich nach Auffassung von Rechtsanwalt Felix Fehrenbach auch, dass „Thermofenster“ unter den Begriff „unzulässige Abschalteinrichtung“ fallen.

Eine Abschalteinrichtung ist nach Ansicht der Generalanwältin ein Konstruktionsteil „das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“.

Und in Bezug auf den Begriff Abschalteinrichtung geht die Generalanwältin davon aus, dass eine Vorrichtung, die einen beliebigen Parameter, der mit dem Ablauf der Zulassungsverfahren zusammenhängt, ermittelt, um bei diesen Verfahren die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystem zu aktivieren oder im Sinne einer Stärkung zu verändern und somit die Zulassung des Fahrzeugs zu erlangen, eine Abschalteinrichtung darstellt, selbst wenn die Veränderung im Sinne einer Verstärkung der Funktion des Emissionskontrollsystems punktuell auch eintreten kann, wenn genau die Bedingungen, die sie auslösen, zufällig unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs auftreten.

Die Ausführungen der Generalanwältin sind deshalb so zu interpretieren, dass auch das sogenannte „Thermofenster“, welches von den meisten Autoherstellern in ihren Fahrzeugen installier wurden, um die Abgasrückführung zu regulieren, eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.

Fazit und Empfehlung:

In wenigen Wochen wird das Urteil des EuGH erwartet.

Für PKW-Eigentümer in Deutschland, in anderen EU-Staaten und in der Schweiz können sich durch das EuGH-Urteil weitere völlig neue Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegen PKW-Konzerne eröffnen.   

Die Chancen stehen gut, dass der EuGH eine neue für Verbraucher freundliche Rechtsprechung einläutet.

Allein in Deutschland sind mehrere Millionen Fahrzeuge mit „Thermofenstern“ und anderen Abschalteinrichtungen zugelassen worden.

Von verschiedenen deutschen Gerichten sind Thermofenster bereits als illegal eingestuft und den betroffenen Fahrzeugeigentümern Schadenersatz zugesprochen worden.

Eine individuelle Prüfung, welcher PKW betroffen ist und welche Ansprüche einem Eigentümer zustehen, ist deshalb jetzt schon möglich.

Einer Prüfung Ihrer Rechte im Diesel-Abgas-Skandal steht nichts entgegen!      

Hier können Sie die Pressemitteilung des EuGH lesen: Schlussantrag der Generalanwältin

Lassen auch Sie Ihre möglichen Ansprüche individuell prüfen und eine Vorgehensweise gegen die Autohersteller ausarbeiten.


Rechtsanwalt Felix Fehrenbach

Friedrichstraße 4
79761 Waldshut-Tiengen

Telefon: +49 (0) 7751 8970 100
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